[Rezension]
Lange stand „Forschungsgruppe Erbsensuppe” auf meiner Leseliste – viel zu lange, wie ich nach der Lektüre feststellen musste! Rieke Patwardhan ist mit diesem Roman ein außergewöhnliches Werk gelungen, das auf behutsame Weise schwere Themen wie Flucht, Integration und Trauma mit einer warmherzigen Detektivgeschichte für Kinder verwebt und dabei nie seine Leichtigkeit verliert.
Inhaltsverzeichnis
- Worum geht es in „Forschungsgruppe Erbsensuppe”?
- Was macht diesen Kinderroman so besonders?
- Ausgezeichnetes Buch
- Wem empfehle ich „Forschungsgruppe Erbsensuppe”?
- Weiterführende Links
- Rezensiert wurde
Worum geht es in „Forschungsgruppe Erbsensuppe”?
Drei höchst unterschiedliche Charaktere bilden das Herzstück dieser Geschichte: der besonnene Nils, das temperamentvolle Energiebündel Evi und die neu zugezogene Lina, die ihre syrischen Wurzeln und ein beachtliches detektivisches Talent mitbringt. Als die drei bemerken, dass sich Nils‘ Oma immer merkwürdiger verhält, beschließen sie, der Sache auf den Grund zu gehen.
Wo früher der Duft selbstgebackener Kuchen durch das Haus zog, stehen auf einmal angebrannte Bratkartoffeln auf dem Tisch. Gegenstände verschwinden spurlos, und überall – in Schränken, Regalen, sogar unterm Bett – häufen sich Dosen mit Erbsensuppe. Die frisch gegründete „Forschungsgruppe Erbsensuppe” nimmt die Ermittlungen auf und stößt dabei auf ein Familiengeheimnis, das seine Wurzeln im Zweiten Weltkrieg hat.
Was zunächst wie ein harmloses Rätsel erscheint, entwickelt sich zu einer berührenden Spurensuche zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die nicht nur Omas Geheimnis lüftet, sondern auch zeigt, wie sich verschiedene Generationen und Kulturen durch Verständnis und Mitgefühl verbinden können.
Was macht diesen Kinderroman so besonders?
Drei Detektive und das Geheimnis der Dosensuppen
Rieke Patwardhans größte Stärke liegt in der Art, wie sie komplexe und belastende Themen für junge Leser:innen zugänglich macht, ohne sie zu vereinfachen oder zu verharmlosen. Die Parallelen zwischen Omas Kriegstrauma und Linas Fluchterfahrung werden behutsam gezeichnet, nie aufdringlich, aber doch deutlich genug, um Empathie und Verständnis zu wecken.
Die Autorin holt historische Ereignisse in die Gegenwart zurück und zeigt, wie eng Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben sind. Die Erbsensuppe wird dabei zu einem Symbol für Überlebenswillen und Erinnerung.
Wenn Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen
Großartig finde ich Rieke Patwardhans authentische Charakterzeichnung. Nils, Evi und Lina sind keine idealisierten Buchkinder, sondern haben echte Persönlichkeiten mit Stärken, Schwächen und nachvollziehbaren Motivationen. Jedes der drei Kinder repräsentiert unterschiedliche Zugänge zur Welt: Nils‘ ruhige Besonnenheit, Evis impulsive Direktheit und Linas kultursensible Neugier ergänzen sich auf scheinbar natürliche Weise.
Besonders gelungen ist die Darstellung von Lina, deren Integrationsprozess weder idealisiert noch dramatisiert wird. Rieke Patwardhan zeigt die Herausforderungen des Ankommens ebenso wie die Bereicherung, die kulturelle Vielfalt bedeutet. Linas detektivische Fähigkeiten, die sie aus ihrer Heimat mitbringt, werden zu einem wertvollen Beitrag für die Gruppe.
Detektivarbeit mit Herz und Verstand
Trotz der ernsten Themen im Hintergrund bleibt „Forschungsgruppe Erbsensuppe” durchweg unterhaltsam und spannend. Die Detektivhandlung ist sorgfältig konstruiert und führt die jungen Leser:innen durch eine Reihe von Rätseln und Entdeckungen, die sowohl logisch nachvollziehbar als auch überraschend sind.
Die Dialoge sprühen vor Leben und Authentizität. Besonders die kleinen Konkurrenzkämpfe mit der rivalisierenden Detektivbande „22 Fragezeichen” sorgen für humorvolle Momente und zusätzliche Dynamik.
Die Autorin schafft es, ernste Erkenntnisse über Trauma, Erinnerung und Integration zu vermitteln, ohne den Unterhaltungswert zu schmälern. Diese Balance zwischen Leichtigkeit und Tiefe ist ein Zeichen hoher literarischer Qualität.
Worte, die berühren, und Bilder, die sprechen
Rieke Patwardhans Schreibstil ist klar, lebendig und präzise auf ihre Zielgruppe abgestimmt. Kurze, prägnante Sätze und lebendige Dialoge machen das Buch auch für Leseanfänger zugänglich, ohne ältere Kinder zu langweilen. Die Sprache ist nie vereinfachend, sondern respektvoll und altersgemäß.
Regina Kehns schwarz-weiße Illustrationen ergänzen den Text perfekt. Ihre Bilder fangen die Persönlichkeiten der Charaktere ein und schaffen zusätzliche visuelle Anker.
Ausgezeichnetes Buch
Dass Rieke Patwardhan für dieses Werk 2020 den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte „Neues Talent” erhalten hat, unterstreicht die außergewöhnliche Qualität des Romans. Es ist ein Buch, das zeigt, wie anspruchsvolle Kinderliteratur aussehen kann: unterhaltsam und bedeutsam zugleich, zugänglich und doch nicht oberflächlich.
Wem empfehle ich „Forschungsgruppe Erbsensuppe”?
„Forschungsgruppe Erbsensuppe” ist ein Roman für Kinder ab 8 Jahren, der sich gleichermaßen als Familienlektüre und als Klassenlektüre eignet. Das Buch bietet zahlreiche Gesprächsanlässe über Freundschaft, Integration, historisches Bewusstsein und den Umgang mit Trauma.
Besonders empfehlenswert ist der Roman für alle, die hochwertige Kinderliteratur schätzen, welche wichtige Themen nicht scheut, aber dennoch spannend und unterhaltsam bleibt.
(Heinke Ubben, 19.9.2025)
Weiterführende Links
📝 Mehr zur Autorin Rieke Patwardhan findest du auf ihrer Homepage.
📚 Mehr über das Buch erfährst du auf der Verlagsseite zum Buch: „Forschungsgruppe Erbsensuppe” bei Knesebeck.
📖 Auf diesem Blog findest du weitere Bücher zum Thema „Flucht und Integration“. Empfehlen kann ich: Mischka. Mehrere Buchtipps zu Flucht in der Kinder- und Jugendliteratur findest du in diesem Artikel.
Rezensiert wurde
Forschungsgruppe Erbsensuppe oder wie wir Omas großem Geheimnis auf die Spur kamen
Rieke Patwardhan
Illustration: Regina Kehn
Knesebeck: München 2021, 4. Aufl.
ISBN: 978-3-95728-023-7
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