[Rezension]
„Impossible Creatures. Das Geheimnis der unglaublichen Wesen“ von Katherine Rundell ist mein bisheriges Jahres-Highlight! Dieser Roman ist der Beweis, dass Fantasy noch immer überraschen kann. Während andere Autor:innen bekannte Muster wiederholen, erschafft Rundell eine Welt, die gleichzeitig vertraut und völlig neu wirkt. Mir ist, als hätte sie alle Märchen, Mythen und Sagen der Welt durch ein Kaleidoskop betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- Worum geht es? – Ein Tor zu einer vergessenen Welt
- Was macht dieses Fantasy-Buch so besonders?
- Warum sich „Impossible Creatures“ lohnt
- Wem kann ich „Impossible Creatures” empfehlen?
- Weiterführende Links
- Bibliografie
Worum geht es? – Ein Tor zu einer vergessenen Welt
Christopher bekommt von seinem Großvater nur eine einzige Regel: „Geh nicht auf den Hügel hinter dem Haus!” Drei Seiten später steht er natürlich genau dort.
Dort oben trifft er auf Mal, ein Mädchen mit einem fliegenden Mantel, und ihren Greifen Gelifen. Da beide verletzt sind, bringt Christopher sie ins Haus seines Großvaters.
Sie kommen von der anderen Seite, aus dem Archipel, von wo sie vor einem Mörder geflohen sind. Doch rasch wird klar: Trotz der Bedrohung durch den Mörder müssen sie zurück, um Gelifen und den Archipel zu retten.
Der Archipel ist eine Welt, von der wir alle einmal geträumt haben: 34 Inseln voller Kreaturen, die unsere Realität längst für unmöglich erklärt hat.
Was macht dieses Fantasy-Buch so besonders?
Mehr als nur Greifen und Magie
Das Besondere an diesem Buch liegt nicht nur in seinen fantastischen Bewohnern – obwohl allein das beiliegende Bestiarium mit den Zeichnungen des großartigen Tomislav Tomić die Anschaffung wert ist. Rundell verwebt geschickt mehrere Erzählebenen.
Da ist zunächst einmal die Abenteuergeschichte um Christopher und das geheimnisvolle Mädchen Mal mit ihrem Greifen. Doch darunter schlummert eine Geschichte über Verlust, Verantwortung und die Frage, was wir bereit sind zu opfern, um das zu bewahren, was wir lieben.
Die Glimourie – die magische Kraft, die das Archipel am Leben hält – schwindet. Ein Mörder bedroht die Kinder. Und zwischen den Zeilen erkennt man unsere eigene Welt wieder: eine Natur unter Druck, Lebensräume, die verschwinden, Gleichgewichte, die kippen.
Eine Sprache, die verzaubert
Rundells größte Stärke ist ihre Sprache, die meisterhaft von Henning Ahrens ins Deutsche übertragen wurde. Sie schreibt nie von oben herab, behandelt ihre jungen Leser:innen aber auch nicht wie kleine Kinder. Ihre Beschreibungen sind so präzise, dass man die salzige Meeresluft des Archipels förmlich schmecken kann. Ihre Dialoge funkeln vor Witz, ohne je aufgesetzt zu wirken.
„Auf diesen Inseln leben Tausende magischer Geschöpfe, sie ziehen ihre Jungen groß, altern und sterben und beginnen von neuem. Der Archipel ist der letzte magische Ort auf Erden.“
(S. 67)
In solchen Worten steckt Musik, oder findest du nicht?
Figuren mit Ecken und Kanten
Christopher ist kein strahlender Held, sondern ein Junge, der sich in einer neuen Welt zurechtfinden muss. Mal trägt Geheimnisse mit sich herum, die schwerer wiegen als ihr kleiner Greif. Beide Figuren wachsen nicht durch spektakuläre Momente, sondern durch kleine, glaubhafte Schritte, was sie wunderbar real werden lässt.
Selbst die Nebenfiguren haben Tiefe. Christophers Großvater ist mehr als nur der geheimnisvolle Wächter des Zwischenwegs; er ist ein Mann, der jahrzehntelang zwischen zwei Welten navigiert hat und dabei einsam geworden ist.
Ein Buch zwischen den Stühlen
Wer ein schnelles, oberflächliches Lesevergnügen sucht, wird hier nicht fündig. Rundell nimmt sich Zeit für ihre Welt, erklärt, beschreibt, lässt die Atmosphäre wirken. Das macht das Buch anspruchsvoller, aber auch reichhaltiger als die meisten Fantasy-Romane für junge Leser:innen.
Die Autorin vertraut darauf, dass ihre Zielgruppe komplexe Gedanken und Gefühle verstehen kann. „Impossible Creatures“ ist ein Buch, das mit seinen Leser:innen wächst und bei jeder Lektüre neue Schichten preisgibt.
Märchenhafte Illustrationen
Die liebevoll und beinahe träumerisch gestaltete Illustration des Covers von Tomislav Tomić hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Meine Neugier auf dieses fantastische Buch war geweckt!
Auf dem Vorsatz- und Nachsatzpapier befindet sich eine aufwendig gezeichnete Karte des Archipels von Virginia Allyn, die nicht nur Orientierung bietet, sondern auch die Vorstellungskraft beflügelt und zum Träumen einlädt.
Das bereits erwähnte Bestiarium mit seinen kunstvollen Zeichnungen macht die magischen Kreaturen greifbar und verleiht dem Roman zusätzliche Lebendigkeit.
All das ist so toll gemacht, dass ich „Impossible Creatures” bestimmt immer wieder gerne zur Hand nehmen werde.
Warum sich „Impossible Creatures“ lohnt
In einer Zeit, in der Fantasy oft zwischen Klischees und Spektakel pendelt, ist dieser beeindruckende Roman eine Erinnerung daran, wozu das Genre fähig ist: Es kann Welten erschaffen, die die Probleme unserer eigenen verdeutlichen. Es kann Hoffnung geben, ohne naiv zu sein. Es kann von Magie erzählen und dabei sehr real über Verlust, Mut und Verantwortung sprechen.
Katherine Rundell hat nicht nur ein Buch geschrieben, sondern eine Welt geschaffen, in die ich gerne zurückkehren möchte.
Und das Beste daran?
Es ist erst der Anfang einer Trilogie. Der zweite Band erscheint bereits im Herbst.
Wem kann ich „Impossible Creatures” empfehlen?
Dieses Buch richtet sich an Jugendliche ab 12 Jahren, ist aber für Fantasy-Fans jeden Alters geeignet. Wer komplexe Fantasy-Literatur mit originellen magischen Kreaturen sucht, wird hier garantiert fündig.
(Heinke Ubben, 12.6.2025)
Weiterführende Links
- Weitere Bücher von Katherine Rundell findest du auf diesem Blog hier: „Feo und die Wölfe”.
- Mehr über Katherine Rundell erfährst du beim Fischer Sauerländer Verlag.
- Wenn du weitere Fantasy-Romane suchst, die ich besprochen habe, dann klick‘ dich gern durch meine Kategorie „Fantastisch”.
Bibliografie
Impossible Creatures. Das Geheimnis der unglaublichen Wesen (Band 1)
Katherine Rundell
Illustration: Tomislav Tomić
Übersetzung: Henning Ahrens
Fischer Sauerländer: Frankfurt a. M. 2025
ISBN: 978-3-7373-7323-4
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