[Rezension]
Als ich vor ein paar Wochen das Kinderbuch „Keine Party ist auch keine Lösung” von Anna Maria Praßler zum ersten Mal sah, war mir klar: Das muss ich lesen! Eine Geschichte über ein Mädchen, das im Frauenhaus lebt, ist selten und mutig. Wenn die Geschichte dann auch noch aus der Perspektive der neunjährigen Protagonistin erzählt wird, fragt man sich: Kann das bei einem so heiklen Thema gelingen?
Es ist gelungen! Und wie! „Keine Party ist auch keine Lösung” ist ein starkes und wichtiges Buch, dem ich ganz, ganz viel Leser:innen und Preise wünsche!
Besonders beeindruckt hat mich, wie leicht, humorvoll und gleichzeitig berührend diese in Frankfurt (Oder) angesiedelte Geschichte erzählt wird. Auch wenn die gewaltvollen Erfahrungen der Frauen und Kinder immer wieder durchschimmern, sind sie nicht erdrückend. Das liegt nicht zuletzt an der Erzählerin Jagoda: Sie steckt voller Mut, Hoffnung und Ideen. Außerdem findet sie es im Frauenhaus tausendmal besser als zu Hause mit ihrem Vater!
Wie bereits in „Rettet Omas Boa!” deutlich wurde, versteht Anna Maria Praßler es meisterhaft, Kinderfiguren zu zeichnen, die kulturelle Vielfalt auf ganz selbstverständliche Weise verkörpern. Auch Jagoda trägt diese Verbindung in sich: Ihr Name – polnisch für „Blaubeere” – verweist allerdings nicht nur auf ihre Abstammung. „Blau” ist zugleich ein den Text prägendes Motiv.
Inhaltsverzeichnis
- Worum geht es in „Keine Party ist auch keine Lösung”?
- Das Besondere an diesem Kinderbuch
- Preise & Auszeichnungen (Stand: Juli 2025)
- Für wen ist dieses Buch?
- Weiterführende Links
- Bibliografie
Worum geht es in „Keine Party ist auch keine Lösung”?
Jagoda, neun, fast zehn Jahre alt, steckt in einem echten Dilemma: Sie hat ihre neue Mitschülerin Mia spontan zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen. Dabei gibt es gar keine Party! Jagoda lebt mit ihrer Mutter nämlich in einem Frauenhaus, und das darf niemand wissen, damit die Frauen und Kinder dort nicht von ihren Ehemännern und Vätern gefunden werden.
Aber ohne Party, befürchtet Jagoda, wird Mia nie ihre Freundin werden. Also beschließt sie, in nur vier Tagen und mit null Euro die beste Geburtstagsparty überhaupt auf die Beine zu stellen. Aber wo soll sie feiern? Und woher bekommt sie auf die Schnelle Geld für das Nötigste?
Das Besondere an diesem Kinderbuch
Sensibel erzählt – das Leben im Frauenhaus
Das Frauenhaus ist ein ungewöhnlicher Kinderbuch-Schauplatz. Anna Maria Praßler erzählt davon mit großer Feinfühligkeit und Ehrlichkeit, aber nie bedrückend. Die Unsicherheit, die Geheimhaltung, die Angst, dass alles auffliegt, die finanziellen Nöte sind präsent, aber nie dominant. Vieles bleibt zwischen den Zeilen, sodass auch jüngere Leser:innen der Geschichte folgen können, ohne überfordert zu werden.
Das Buch zeigt, wie Kinder im Frauenhaus leben, wie sie mit Unsicherheit und Angst umgehen und wie wichtig es ist, sich nicht zu verstecken. Es vermittelt, dass ein Leben im Frauenhaus kein Grund für Scham ist, sondern ein Ort, an dem Schutz und neue Kraft gefunden werden können.
Eine Heldin mit Herz und Verstand
Was das Buch so stark macht, ist, dass Jagoda nie als Opfer dargestellt wird. Sie ist mutig, erfinderisch und voller Tatendrang. Anstatt zu resignieren, schmiedet sie Pläne und wächst über sich hinaus. Es ist ihre Geschichte, ihre Stimme, ihre Sicht auf die Dinge. Und das Wichtigste ist ihr: ihre Geburtstagparty!
Witzig, klug und kindgerecht
Jagoda erzählt ihre Geschichte selbst. Sie ist direkt, ehrlich, manchmal frech, doch immer lebensnah. Besonders schön ist ihr Humor, der auch in ernsten Momenten nicht verloren geht.
Am Anfang heißt es zum Beispiel:
„Ich heiße Jagoda, das ist polnisch für Blaubeere, und an alle Erwachsenen, die hier mitlesen: Es ist nicht cool, Kinder wie ’ne Obstsorte zu nennen. Wie Gemüse auch nicht. Sagt das gern weiter, ich weiß, wovon ich spreche.”
(S. 7)
Diese authentische Kinderperspektive macht den Text lebendig und nahbar. Ein echtes Highlight!
Zwischen Blaubeeren und Blaufarben
Jagodas Namensgebung ist nicht zufällig. Blau mag Jagoda nämlich überhaupt nicht. Na gut, es gibt Ausnahmen. Der Zungenbrecher „Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid” zum Beispiel. Die Liste mit „Schlechte Sachen, die mit Blau anfangen” ist aber deutlich länger als die Liste „Schöne Sachen, die mit Blau anfangen”. Auf der ersten stehen:
„Blausäure (davon kann man sterben), blaue Flecken und blau sein. Das heißt betrunken sein, und ich hasse es ECHT, wenn Leute das sind.”
(S. 9)
Auf der zweiten Liste stehen das blu, ein Spaßbad in Potsdam, dessen Eintritt sich Jagoda nie leisten könnte, sowie Blaumeisen und Blauwale. Mehr schöne Sachen, die mit Blau anfangen, hat sie noch nicht gefunden.
Aber die Listen ändern sich im Verlauf des Buches, ebenso wie so vieles anderes.
Großartig sind auch die blau-weißen Zeichnungen von Theresa Strozyck, die den Text feinfühlig und stimmungsvoll begleiten. Mit der blauen Farbgebung greift die Illustratorin nicht nur Jagodas Namen und das zentrale Motiv auf, sondern unterstreicht damit auch den „blauen” Faden, der sich durch den Text zieht. Blau wird so zum poetischen Echo einer Geschichte, die tief berührt.
Ein Countdown voller Abenteuer
Die Geschichte ist als ein Vier-Tage-Countdown aufgebaut, was für Spannung und Dynamik sorgt. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen, kleine Siege und manchmal auch Rückschläge mit sich.
Mit viel Einfallsreichtum und Durchhaltevermögen wird aus Jagodas scheinbar aussichtslosem Vorhaben ein echtes Abenteuer. Die Botschaft ist klar: Auch in schwierigen Zeiten kann aus wenig ganz viel entstehen.
„Keine Party ist auch keine Lösung” zeigt, wie wichtig Freundschaft ist – und dass man sich für nichts schämen muss, was einem Schutz und Sicherheit gibt.
Preise & Auszeichnungen (Stand: Juli 2025)
- Platz 3 der ORF Bestenliste März
- „Fit für die Zukunft“ Hoffnungs-Buchtipp Juni 2025 (Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur)
Es werden mehr Preise werden! Da bin ich mir sicher. Und wenn dieses Buch nächstes Jahr nicht auf der „Auswahlliste zum deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreis” steht, dann weiß ich auch weiter …
Für wen ist dieses Buch?
- Für Kinder ab 9 Jahren, die warmherzige und humorvolle Geschichten mit Tiefgang mögen.
- Für Erwachsene, die richtig gute Kinderliteratur schätzen.
- Für alle, die glauben, dass aus den unmöglichsten Situationen die besten Geschichten entstehen.
- Für Kinder und Erwachsene, die wissen müssen, dass es Auswege aus gewaltsamen Beziehungen gibt.
- Und für alle Politiker:innen, die endlich mehr Geld für die Ausstattung und den Ausbau von Frauenhäusern bereitstellen sollten, denn die Plätze sind rar und es gibt viel zu wenige.
Weiterführende Links
- Von Anna Maria Praßler habe ich bereits das folgende Buch rezensiert: „Rettet Omas Boa! Mein Zirkus, das Dorf und ich”.
- Mehr über die Autorin findest du auf ihrer Homepage: Anna Maria Praßler.
- Eine Leseprobe und mehr zum Buch gibt es auf der Seite des Verlages: Klett Kinderbuch Verlag – Offizielle Buchseite mit Leseprobe.
- Mehr über Frauenhäuser erfährst du bei der bundesweiten Frauenhauskoordinierung e.V., die sich auch über Spenden freuen, oder auf allen Seiten der regionalen Frauenhäuser.
- Wenn du weitere warmherzig erzählte Kinderbücher mit anderen Hintergründen suchst, empfehle ich dir die folgenden von mir rezensierten Bücher: „Mischka“ von Edward van de Vendel und Anoush Elman, „Das kleine Waldhotel. Ein Zuhause für Mona Maus“ von Kallie George oder „Herzliche Grüße, deine Giraffe“ von Igumi Iwasa.
(Heinke Ubben, 18.7.2025)
Bibliografie
Titel: Keine Party ist auch keine Lösung
Autorin: Anna Maria Praßler
Illustration: Theresa Strozyk
Verlag: Klett Kinderbuch: Leipzig 2025
ISBN: 978-3-95470-311-1
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