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Cover von "Klippo - Der Junge, den es nicht geben durfte" von Tobias Goldfarb

Nebel sei dies Leben!

„Klippo – Der Junge, den es nicht geben durfte” von Tobias Goldfarb beginnt furios: Klippo wird mitten in der Nacht von seinen Eltern geweckt, die ihn zur Flucht drängen. Eine geheimnisvolle Gruppe von Feinden, die Salpeter, verfolgt die drei. Die Salpeter beherrschen das Feuer und scheinen unaufhaltsam.

Tobias Goldfarb schreibt so lebendig, dass ich von der ersten Seite an gefesselt war. Besonders gut hat mir gefallen, wie der Autor Spionage- und Abenteuerelemente mit einer Prise Steampunk verbindet. Dann nahm die Geschichte mittendrin eine unerwartete Wendung, die alles auf den Kopf stellte – und mich aus dem Roman katapultierte.

Inhaltsverzeichnis

Worum geht es?

Als Klippo und seine Eltern vor den Salpetern fliehen müssen, erfährt Klippo, dass seine Eltern Spione sind – eine Enthüllung, die sein bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Bisher dachte er, seine Eltern wären Konservenhändler:innen. Gemeinsam fliehen sie auf die nebelumwobene Insel Narom Rok, wo ihnen die Salpeter aufgrund eines uralten Vertrags nichts anhaben können.

Doch plötzlich sind Klippos Eltern verschwunden und er ist auf sich allein gestellt. Zusammen mit einem Mädchen namens Nessi, das schon länger auf Narom Rok lebt, streift er über die Insel.

Da geschieht etwas Unerwartetes: Nessi überzeugt ihn, dass er gar nicht Klippo ist.

„Du heißt Kean, seit du auf der Welt bist. (…) Erinnerst du dich denn gar nicht mehr, Kean? Du bist unten am Hafen auf der Kormorankacke ausgerutscht und hast dir den Kopf angeschlagen. Das war vor über einer Woche. Du warst bewusstlos, alle dachten, du seist tot. (…) Ich habe dich tagelang gesucht, bis ich dich unten an der Schlucht endlich gefunden hatte. Ich wollte nicht, dass du wieder abhaust, denn eins ist klar: Du bist verrückt geworden.”

(S. 126-128)

Dieses Kapitel, in dem Nessi die ganze Geschichte auf den Kopf stellt, hat mich so irritiert, dass ich das eigentlich spannende Buch wochenlang zur Seite gelegt habe. Zwar war mir sofort klar, wer sich hinter dem Mädchen verbirgt, aber ich fragte mich: Warum hat sich der Autor so viel Mühe gegeben und eine so spannende Geschichte erzählt, wenn er nun alles ad absurdum führt? Mir fehlten Hinweise, dass alles Bisherige noch irgendeine Relevanz hat.

An dieser Stelle, in der Mitte der Handlung, treibt Tobias Goldfarb die Frage nach der Identifikation seiner Hauptfigur auf die Spitze. Klippo selbst fragt sich ständig: Wer bin ich eigentlich? Und warum existiere ich überhaupt?
Die Frage nach Wahrheit und Lüge durchzieht die gesamte Handlung: Was bedeutet es, wenn selbst die engsten Vertrauten – Klippos Eltern – Geheimnisse haben? Wie viel Wahrheit erträgt ein Mensch?

Nun sagt Nessi zu ihm: Du bist nicht der, für den du dich bisher gehalten hast.

Aber stimmt das? Ist er wirklich Kean, der sich immer Abenteuergeschichten ausgedacht und mehr in der Welt der Bücher als in der Wirklichkeit gelebt hat?

Lies selbst!

Das Besondere an diesem Buch

Starker Protagonist

Klippo ist eine starke Figur voller Mut und Entschlossenheit. Er ist neugierig und wissbegierig, was sich auch im Sprachstil von Tobias Goldfarb widerspiegelt. Am Anfang ist Klippo ein Junge, der nichts von seinem isolierten Dasein versteht, doch er wächst mit den Herausforderungen, denen er sich stellen muss. Dabei kämpft er nicht nur gegen äußere Gefahren wie die Salpeter, sondern auch mit inneren Konflikten wie der Geheimniskrämerei seiner Eltern und der Frage nach seinem wahren Selbst.

Lust an der Sprache

Tobias Goldfarb schreibt lebendig, leicht verständlich und mit viel Humor. Er hält das Erzähltempo hoch und schafft mit bildhaften Beschreibungen und Metaphern eine einzigartige Atmosphäre. Außerdem ist sein Text gespickt mit Sprachspielen und Palindromen, also Wörtern, die man vorwärts und rückwärts lesen kann. Ein Beispiel ist das Palindrom: „Nebel sei dies Leben!”, ein Gruß auf Narom Rok. Aber auch in dem Wort „Narom Rok” steckt Sprachwitz. Wer es rückwärts liest, erfährt, welche Vögel die Insel bevölkern.

Eindrucksvolle Illustration

Besonders hervorzuheben ist das wunderschön gestaltete Cover von Max Meinzold. Mit der leuchtenden Silhouette von Klippo auf dunklem Hintergrund zieht es sofort alle Blicke auf sich.

Auch die Vignetten im Inneren sind großartig gezeichnet. Auf jeder Seite ist ein kleines Hermelin zu sehen, das beim Umblättern auf und ab springt. Ein tolles Daumenkino!

Wem empfehle ich dieses Buch?

„Klippo – Der Junge, den es nicht geben durfte” ist ein origineller Abenteuerroman. Tobias Goldfarb hat eine einzigartige Welt geschaffen, in der Spannung und Emotionen Hand in Hand gehen. Die Mischung aus Spionage- und Abenteuergeschichte sowie einer Reise zur Selbstfindung ist ein spannendes Buch für Lesende ab 10 Jahren.

(Heinke Ubben, 11.2.2025)

Rezensiert wurde:
Tobias Goldfarb
Klippo. Der Junge, den es nicht geben durfte
Illustration: Max Meinzold
Thienemann: Stuttgart 2024
ISBN: 978-3-522-18665-0

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