[Rezension]
Es gibt nur wenige Kinderbücher, die gruselig und zugleich politisch sind: die Schatten-Trilogie des finnischen Autors Timo Parvela, übersetzt von Stefan Moster, gehört dazu.
Timo Parvela, bekannt durch seine Ella-Bücher, geht es in der Schatten-Trilogie (Band 1: Der Pakt/ Band 2: Das Portal/ Band 3: Die Macht des Lichts) um sehr viel mehr als um ein wohliges Schauern: Menschen verkaufen ihre Schatten, Figuren einer (weihnachtlich-)mythologischen Welt werden lebendig und in beiden Welten, der fantastisch-mythologischen ebenso wie in der real-menschlichen, ringen die Protagonist:innen mit Fremdenfeindlichkeit, Hass, Populismus und Fake News. Dabei greift Parvela auf traditionelle literarische Motive und Themen zurück und kombiniert sie mit Neuem.
Mich fasziniert, wie Timo Parvela die Schatten-Thematik, seine gesellschaftspolitischen Anliegen und die mythologische Welt ausgestaltet und in dieser Vielschichtigkeit miteinander verbindet. Seine jungen Leser:innen behält er dabei immer im Blick. Der Text ist insgesamt leicht zu lesen und sehr gut verständlich.
Für alle, die leichten Grusel in Geschichten mögen, eine klare Leseempfehlung!
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es?
Petes beste Freundin Sara ist so krank, dass sie vermutlich sterben wird. Die Ärzte wissen nicht, was ihr fehlt. Keine Therapie schlägt an. In seiner Not bittet Pete den Weihnachtsmann im Kaufhaus, er solle Sara wieder gesund machen – und schämt sich entsetzlich! Welcher Dreizehnjährige glaubt denn noch an den Weihnachtsmann! Er weiß ja selbst, dass der Kaufhaus-Weihnachtsmann nur seinen Job macht. Andererseits hat Pete schon einmal eine Wunderheilung erlebt: bei seinem Hund Topi, der im letzten Jahr nach einem schweren Autounfall eingeschläfert werden sollte, dann aber ohne erkennbaren Grund plötzlich wieder putzmunter war. Also überwindet sich Pete und flüstert dem Kaufhaus-Weihnachtsmann, der stechende, kohlrabenschwarze Augen hat und unangenehm nach nassem Tier stinkt, seinen Wunsch ins Ohr.
Zunächst passiert nichts. Aber in der folgenden Nacht wacht Pete auf. Ist da nicht jemand im Zimmer? Oh, ja! Pete hört ein Kichern, und es riecht nach nassem Fell.
Unmittelbar darauf drückt ihm jemand die Hand auf den Mund. Der Griff ist fest und stark. Pete quellen die Augen aus dem Kopf, als er versucht zu schreien. Kein Mucks kommt heraus. Der Stallgeruch ist nun unerträglich, und endlich erkennt Pete im Dunklen ein runzliges kleines Gesicht und boshafte Augen, die ihn aus nächster Nähe ansehen.
S. 18f.
Dieses Wesen ist ein böser Wichtel namens Elpiö. Er fordert als Gegenleistung für den Wunsch, den Pete dem Weihnachtsmann ins Ohr geflüstert hat, Petes Schatten. Nach einigem Zögern willigt Pete ein.
Am nächsten Morgen glaubt Pete an einen schlechten Traum. Doch welche Überraschung! Sara ist putzmunter. Eine Wunderheilung wie bei Topi, seinem Hund. Aber noch etwas hat sich verändert: Pete kann sich über nichts mehr freuen. Dabei sollte er doch froh sein, dass es Sara von Tag zu Tag besser geht!
An dieser Stelle springt die Geschichte unvermittelt ins fantastische Auroria. Wir lernen Uudit, eine Schattenflickerin, kennen, die in die Wichtelgilde aufgenommen werden möchte. Doch die Wichtelgilde verachtet Uudit, weil sie halb Wichtelin, halb Gnomin ist. Ihr wird unterstellt, eine Spionin zu sein und die Wichtelgilde unterwandern zu wollen. Deshalb wird sie gefangen genommen.
In der Menschenwelt hat nicht nur Pete seinen Schatten verloren, auch viele andere Menschen haben keinen Schatten mehr: sein Vater, ein Lehrer, verschiedene Mitschüler:innen und Menschen in seiner Umgebung oder im Fernsehen.
In Auroria führt uns Uudit, die in einer überraschenden Wendung ihrer Gefangenschaft entkommen konnte, zum Weihnachtsmann, der auch der Allerälteste genannt wird. Er ist das freundlichste und uneigennützigste aller Wesen. Doch als Uudit ihn findet, ist er nur noch ein Schatten seiner selbst.
Er vermacht ihr ein Buch, in dem er notiert hat, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte. Ein neuer Weihnachtsmann, der Krampus oder Schattenfürst genannt wird, will das Weihnachtsland wieder groß machen. Mit seiner Schattenarmee will Krampus die Herrschaft über Auroria erlangen.
Aber auch die Menschenwelt ist bedroht. Nicht nur an Petes Vater sehen wir, wie sich Hass durch das gesamte Land frisst und zu Ausländerfeindlichkeit, nationalistischem und egoistischem Denken und der Verbreitung von Fake News führt.
Dann bekommt Pete zu Weihnachten ein altes, zerbeultes Glöckchen geschenkt. Er fragt sich, wer ihm wohl so ein Geschenk macht, als er plötzlich einen leisen Hilferuf hört. Kam er aus dem Glöckchen? Nein, das Glöckchen scheint leer zu sein. Aber da meldet sich die Stimme erneut. „Ich bin du”, flüstert sie. Pete beschließt, sich das Glöckchen um den Hals zu hängen, um es nicht zu verlieren.
Es dauert ein bisschen, bis er den Wert dieses Weihnachtsgeschenks entdeckt. Aber irgendwann bemerkt Pete: Sein Schatten ist wieder da! Auch Freude fühlt er wieder – allerdings nur so lange, wie das Glöckchen um seinen Hals hängt. Nimmt er es ab, verschwindet sein Schatten, und die Düsternis kehrt in seine Gedanken zurück.
So richtig versteht Pete die Zusammenhänge nicht; erst recht nicht, als er plötzlich über übernatürliche Fähigkeiten verfügt. Doch eines ist ihm klar: Er will seinen Schatten zurück, was bedeutet, dass er Elpiö suchen muss.
Deshalb macht Pete sich im zweiten Band der Schatten-Trilogie gemeinsam mit Sara auf nach Auroria, wo er Elpiö vermutet. Zwei Gnome, Boris und Humpf, denen Pete schon im ersten Band begegnet ist, helfen den beiden. Vom ehemaligen Glanz des Weihnachtslandes Auroria ist nichts mehr vorhanden, es ist eine furchtbare Welt voll grauem Elend. Gnome werden ausgegrenzt. Wichtel haben die Kontrolle übernommen.
Irgendwann trifft auch die Schattenflickerin Uudit auf die Gruppe, aber irgendetwas scheint sie im Schilde zu führen.
Aus dem Buch des Weihnachtsmanns erfahren Uudit und damit auch wir stückweise, wie es zu der Spaltung der ursprünglich einmal friedlich zusammenlebenden Gnome und Wichtel gekommen ist – Aufzeichnungen, die illustratorisch wie altes Pergament gestaltet sind. Damit springt die Handlung wie schon im ersten Band: Mal lesen wir in den zahlreich eingestreuten Einträgen aus dem Buch des Weihnachtsmanns, mal sind wir bei Elpiö und Krampus, mal bei Pete und Sara.
Die Rätsel um die Schatten und den verschwundenen und entkräfteten Weihnachtsmann werden nach und nach ein wenig klarer, aber was es mit Petes Glöckchen auf sich hat, erfahren wir erst im dritten Band, in dem Pete und Sara gemeinsam mit Uudit, Boris und Humpf vor dem in Auroria tobenden Krieg in die Menschenwelt fliehen. Leider folgen Krampus und Elpiö ihnen, denn Krampus will unbedingt Petes Glöckchen. Das Schreckliche daran ist, dass Krampus in der Menschenwelt jede Form annehmen kann, die er möchte, weil er der Herr der Schatten ist.
In der Menschenwelt hat sich in Petes und Saras Abwesenheit viel verändert. Nur wenige Menschen besitzen noch einen Schatten. Petes Vater ist mittlerweile Bürgermeister, der sich gegen die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften wehrt und Ausländer für alles verantwortlich macht: für den Klimawandel ebenso wie für das Virus, das sie angeblich mitgebracht haben sollen. Dazu werden Wahrheiten verdreht und Fake News verbreitet, um angeblich wahrhaftige Wahrheiten zu verkünden und Menschen auf die Seite der Populisten zu ziehen.
Die Parallelen zu Band 2, in dem die Strategien geschildert wurden, wie Gnome und Wichtel entzweit wurden, sind unübersehbar (und für Kinder damit leicht zu verstehen). Darüber hinaus werden Menschen, die noch einen Schatten haben, zu den Gejagten, zu den „Schattigen”, während sich diejenigen in neuem Glanz sonnen, die schattenfrei sind.
Auch Sara, Pete und ihre Unterstützer:innen werden jetzt als angebliche Verbrecher:innen gesucht, denn Krampus ist ihnen dicht auf den Fersen und hat mächtige Verbündete gefunden. Krampus tritt als Herr Puska auf – ein Name, der sich aus (nicht allen) Buchstaben des Wortes Krampus zusammensetzt.
Doch auch in Band 3 springt die Handlung zurück nach Auroria, wo Gnome und Wichtel, unter ihnen Boris Schwester, gegen die Schattenarmee des Krampus kämpfen. Dort taucht einer von ihnen in einem Quellsee, dem mythischen Pakasaivo-See, nach einem Erz, mit dem die Schatten vernichtet werden können. Während er in dem tiefen See zu Boden sinkt, erfahren wir mehr über die Geschichte Aurorias und den Wechsel zwischen friedlichen und kriegerischen, glanzvollen und elenden Zeiten, die es ja auch in der Geschichte der Menschheit gegeben hat.
Allerdings wissen wir längst: Nur ein neuer Allerältester kann die beiden Welten retten, und die Wahrheit verbirgt sich in den Glöckchen (mittlerweile gibt es mehrere) und dem Geheimnis um die abgetrennten Schatten. Zwischen Auroria und der Menschenwelt besteht eine besondere Verbindung, die durch den Tod des letzten Allerältesten zerstört wurde. Dass diese Verbindung nicht von einem diktatorischen und populistischen Krampus, der ein „Make Auroria great again!” fordert, wiederhergestellt werden kann, liegt auf der Hand, denn
Hass wird die Menschen auseinanderreißen, aber Liebe und Mitgefühl werden sie vereinen.
Band 2, S. 149; Wiederholung in Band 3, S. 128
Das Besondere an diesem Roman
Timo Parvelas Schatten-Trilogie beeindruckt durch ihre Vielschichtigkeit. Die Erzählung verknüpft traditionelle Motive und Themen mit dem aktuellen gesellschaftspolitischen Geschehen. Dass Timo Parvela bei dieser Gratwanderung, einerseits eine fantastisch-mythologische Geschichte zu erzählen und andererseits Gesellschaftskritik zu üben, nie das Alter seiner Zielgruppe und den Wunsch nach guter und spannender Unterhaltung aus dem Blick verliert, zeigt, wie gut er sein Handwerk versteht.
Der Verlust des Schattens
Dreh- und Angelpunkt der Schatten-Trilogie ist – welche Überraschung! 😉 – der Schatten, der leitmotivisch die gesamte Geschichte durchzieht. Wohl kaum ein Motiv ist in der Literaturgeschichte so alt und so oft variiert worden. Bereits in frühen mythischen Erzählungen begegnen wir dem Schatten als „Spiegel der Seele” oder als „Doppelgänger”. Timo Parvela greift auf beide Aspekte zurück, wenn er den Verlust des Schattens mit dem Verlust der Seele gleichsetzt, und die Schatten eigenständig agieren.
Wie Peter Schlemihl in „Peter Schlemihls wundersame Geschichte” von Adelbert von Chamisso geben Pete und viele andere ihren Schatten her, damit ihnen Wünsche erfüllt werden. Diese Wünsche können klein sein, wie ein Paar teure Sportschuhe oder ein neues Handy, aber auch groß, wie zum Beispiel Petes Wunsch, dass Sara wieder gesund werden soll. Doch während Peter Schlemihl wegen seiner Schattenlosigkeit noch aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird, rotten sich die Schattenlosen bei Parvela zusammen. Wenn die Schattenlosen in Band 3 plötzlich in einem neuen, glanzvollen Licht erscheinen, stellt Parvela den traditionell negativ konnotierten Schatten-Verlust in einen überraschend neuen Kontext.
Nicht alle Schatten führen bei Parvela ein Eigenleben, manche werden zu einem namenlosen Teil der Schattenarmee, andere lösen sich auf und einige wenige personifizieren sich. Diese Personifikation kennen wir auch aus Andersens Märchen „Der Schatten”, in der ein guter Mann seinen Schatten verliert, der sich daraufhin selbstständig macht und den guten Mann am Ende vernichtet. Doch während dem guten Mann in Andersens Märchen ein neuer Schatten wächst, fragen sich in der Schatten-Trilogie einzelne Figuren immer wieder, ob sie ohne ihren Schatten noch sie selbst oder bloß ein Schatten ihrer selbst sind. Es ist beeindruckend, wie Timo Parvela solche Fragen für Kinder auf ganz einfache Weise umsetzt.
Leider führt der Verlust des Schattens aber auch dazu, dass sich die Schattenlosen über nichts mehr freuen können und hartherzig und egoistisch werden. Sie haben ihre Seele verkauft. Auch hier greift Parvela auf klassische Motive zurück. Dass Herzen hart wie Stein werden, haben bereits Wilhelm Hauff in seinem Märchen „Das kalte Herz”, in dem Peter sein Herz für Geld gegen ein steinernes eintauscht, oder Andersen in seinem Märchen „Die Schneekönigin”, in dem der Splitter eines Zauberspiegels Kays Herz in Eis verwandelt, gezeigt. Es gibt etliche weitere Beispiele.
In der deutschen Kinder- und Jugendliteratur hat James Krüss dieses Motiv in „Timm Thaler” aufgegriffen, denn als Timm sein Lachen an Herrn Lefuet verkauft, kann auch er keine Freude mehr empfinden.
Wie Timm in „Timm Thaler” bemerkt auch Pete, was sein Schatten – bei Timm ist es das Lachen – eigentlich bedeutet, und möchte ihn zurück. Anders als sein Vater realisiert Pete nämlich dank seines Glöckchens, dass seine Wunscherfüllung zu Hass, Egoismus und Boshaftigkeit führt.
Wie kreativ Timo Parvela ist, zeigt sich am Beispiel der Schattenflickerin Uudit. Dass man verlorene Schatten wieder annähen kann, hat uns Wendy in „Peter Pan” vorgeführt. Doch während diese Begebenheit in „Peter Pan” nicht mehr als ein lustiger Gag ist, spielt diese Fähigkeit, die nur Uudit und ihre Mutter besitzen, in der Schatten-Trilogie eine zentrale Rolle. Mir gefällt die Bezeichnung der Schattenflickerin sehr, denn intuitiv ist sofort klar, welche Fähigkeit sich dahinter verbirgt. Darüber hinaus hat Timo Parvela es klug arrangiert, dass nur Uudit und ihre Mutter diese Fähigkeit beherrschen und das Annähen von Schatten ein immenser Kraftakt ist, der nur unter bestimmten Bedingungen funktioniert:
Manchmal entkommt ein Schatten und verwandelt sich in eine wilde Bestie, und dann kann ihn nicht einmal eine Schattenflickerin wieder anbringen. Ein anderes Mal wieder wird die Hülle so leer und zerbrechlich, dass sie zerfällt und vergeht. Das Resultat kann niemand vorhersagen. Für die einen bedeutet das Verschwinden des Schattens das schnelle Ende, andere wiederum scheinen lange ohne ihren Schatten leben zu können: als Menschen, die ihre Seele verloren haben.
Band 1, S. 124f.
So kann die Lösung der zahlreichen Konflikte, die Timo Parvela in dieser Trilogie entwickelt hat, also nicht lauten: Schicken wir doch mal Uudit los, dann ist alles wieder beim Alten. Nein, da bedarf es schon einiger Kraftanstrengungen mehr!
Der Krampus und andere mythologische Wesen
Ähnlich kreativ gestaltet Timo Parvela seine gesamte fantastische Welt. Er vermischt Traditionelles, Reales und Erfundenes zu einem bunten mythologischen Kosmos. So gibt es den Pakasaivo-See, um den sich zahlreiche Mythen ranken, und das Weihnachtsmanndorf in der Nähe von Rovaniemi tatsächlich. Bestimmte Figuren kennen wir aus traditionellen Geschichten und Märchen, zum Beispiel den Weihnachtsmann, die Gnome oder die Wichtel. Aber auch das Waldvolk, Nixen, Trolle und Kobolde finden, zum Teil allerdings nur in Randbemerkungen, Erwähnung. Daneben treten Schattenhüter und die Schatten oder Abgerissenen auf. Die Armee, die sie bilden, ist schaurig. Teilweise fühlte ich mich beim Lesen an Tolkiens „Herr der Ringe” erinnert, was wohl kein Wunder ist, da sich ja auch Tolkien an der Kalevala, dem finnischen Nationalepos, bedient und extra Finnisch gelernt hat, um dieses im Original zu lesen. Deshalb bleibt die Frage, ob Parvela von Tolkien oder der Kalevala inspiriert worden ist.
Verwundert war ich dagegen von der Figur des Krampus, die mythologisch eher im (Ost-)Alpenraum beheimatet ist. Der Krampus ist eine Schreckgestalt, die herkömmlich den heiligen Nikolaus begleitet, um die bösen Kinder zu bestrafen. Häufig ist der Krampus gehörnt, in Fell gekleidet und hat – wie im norddeutschen, protestantisch geprägten Raum Knecht Ruprecht – eine Rute dabei. Im Rahmen einer nordischen Mythologie hätte ich eher den Julbock (finnisch: Olkipukki) als Schreckgestalt erwartet, eine ebenfalls dämonische Gestalt mit Hörnern. Zuerst dachte ich, der Name könnte eine Anpassung in der Übersetzung sein, aber der Titel des 3. Bandes lautet im finnischen Original: „Varjot – Krampus”; also ist die Figur eine Erfindung von Parvela.
Bei meiner weiteren Recherche bin ich auf einen amerikanischen Horrorfilm aus dem Jahr 2015 mit dem Titel „Krampus” gestoßen, in dem im Trailer der Krampus als „Schatten des Weihnachtsmannes” bezeichnet wird, und dachte mir, das passt! Ob Timo Parvela den Film kennt, kann ich allerdings nicht beantworten. 😉
Auf Augenhöhe mit der Zielgruppe
Diese Trennung von gut und böse, von Licht und Schatten, von Menschen mit und ohne Seele ist für Kinder sehr einleuchtend. Beim Lesen entdecken wir viele Parallelen zwischen der mythologischen und der menschlichen Welt. Indem Timo Parvela rückblickend erzählt, wie es zu einer Spaltung von Gnomen und Wichteln in Auroria gekommen ist, zeigt er, wie nationalistisches und rassistisches Denken entsteht und welche Rolle der Populismus dabei spielen kann. Diese Schilderungen mögen für Einzelne manchmal anstrengend zu lesen sein, aber die Dopplung des Geschehens in Auroria und in der Menschenwelt ermöglicht es Parvela, Argumente und Entwicklungen wieder aufzunehmen und sie auf diese Weise inhaltlich verständlich und zugespitzt zu gestalten.
Insgesamt zeichnen sich die Bücher durch kurze Kapitel, einen leichten Satzbau und viel Dialog aus. Auch das zugehörige Antolin-Quiz kann den Leseanreiz stärken.
Die Aufteilung der Geschichte auf drei Bände ist vermutlich der Zielgruppe geschuldet, der es leichter fällt, drei kurze Bände zu lesen als einen umfangreichen Schmöker. Inhaltlich macht sie jedoch wenig Sinn, denn die Geschichte zieht sich über die gesamten drei Bände. „Der Pakt” (Band 1) und „Das Portal” (Band 2) sind nicht einmal in Teilen abgeschlossen; am Ende der jeweiligen Bände bleiben wesentliche Erzählstränge in der Luft hängen.
Illustration
Die Schatten-Trilogie besticht nicht nur durch ihren Text, sondern auch durch die Illustrationen des Finnen Pasi Pitkänen, die den düsteren Eindruck verstärken. Teilweise ganzseitig untermalen die Zeichnungen den Text. Im Stil erinnern sie häufig an eine Graphic Novel.
Schon auf den Covern erkennt man die Schatten, die wie giftige Schwaden über allem schweben. Dunkle und giftige Farben, wie ein giftiges Rot oder Grün, prägen die Illustrationen. Oft wirkt es, als stünden wir im Dunkeln und beobachteten das Geschehen von dort aus.
Für wen empfehle ich dieses Buch?
Die Schatten-Trilogie ist für alle Kinder ab 10 Jahren geeignet, die ein wenig Grusel in Geschichten mögen. Aufgrund ihrer politischen Botschaften sind die Bücher auch außerhalb der Weihnachtszeit gut zu lesen. Allein die häufigen Wechsel in der Erzählperspektive sind ein wenig herausfordernd, weil sie so unerwartet auftreten. Aber Kinder, die gelernt haben, sich auf Geschichten einzulassen, werden damit gut zurechtkommen.
Es sei noch angemerkt, dass die Geschichte sich über alle drei Bände erstreckt und die Lesenden in Band 1 (und auch in Band 2) mit offenen Enden zurückgelassen werden. Band 1: „Der Pakt” und Band 2: „Das Portal” sind also keine in sich abgeschlossenen Bände.
(Heinke Ubben, 13.8.2024)
Rezensiert wurden die folgenden drei Bände:
Schatten. Der Pakt (Band 1)
Timo Parvela
Illustration: Pati Pitkänen
Übersetzung: Stefan Moster
München: arsEdition 2023
ISBN: 978 3 8458 5082 5
Schatten. Das Portal (Band 2)
Timo Parvela
Illustration: Pati Pitkänen
Übersetzung: Stefan Moster
München: arsEdition 2023
ISBN: 978 3 8458 5083 2
Schatten. Die Macht des Lichts (Band 3)
Timo Parvela
Illustration: Pati Pitkänen
Übersetzung: Stefan Moster
München: arsEdition 2024
ISBN: 978 3 8458 5084 9
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