[Rezension]
„Feo und die Wölfe”, als Taschenbuch 2020 bei Carlsen erschienen, ist eine berührende Abenteuergeschichte aus der Feder der international erfolgreichen Autorin Katherine Rundell (Übersetzung: Henning Ahrens).
Im Mittelpunkt steht die 12-jährige Feo, die mit ihrer Mutter zur Zeit der Russischen Revolution 1917 allein im Wald lebt. Eines Tages verschleppt der boshafte General Rakow Feos Mutter ins Gefängnis nach Sankt Petersburg. Feo kann zum Glück fliehen. Doch sie ist wild entschlossen, ihre Mutter zu befreien. Deshalb macht sie sich mit ihren drei Wölfen auf den Weg nach Sankt Petersburg.
Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefangen genommen. Ich fühlte mich sofort in den russischen Winter versetzt und sah die Figuren bildlich vor mir. Katherine Rundell schreibt brillant und Henning Ahrens’ Übersetzung steht dem in nichts nach.
Wie in allen ihren Büchern erzählt Katherine Rundell auch in diesem von mutigen Kindern und starken Jugendlichen, die großes Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und Kräfte haben. Dabei beschönigt sie nichts. Diktatur, Willkür und eine grausame Jagd auf Tiere spielen in dieser Geschichte eine wesentliche Rolle.
„Feo und die Wölfe” ist ein toller Abenteuerroman, der wie ein Märchen beginnt und endet, und vom Selbstvertrauen und von der Freundschaft zwischen Menschen und Tieren erzählt.
Worum geht es?
Die 12-jährige Feo und ihre Mutter leben in einer kleinen Blockhütte mitten in der Einsamkeit der russischen Wälder. Dort wildern sie Wölfe aus, die reiche Adlige einst als Glücksbringer geschenkt bekommen haben.
Wie Katherine Rundell in einem kurzen Vorwort erklärt, gab es diesen Brauch und die sogenannten Wildwolfer:innen tatsächlich. Wolfshändler:innen fingen in den Wäldern Russlands gerade geworfene Welpen und verkauften sie nach Sankt Petersburg. Das große Problem war, dass sich die Wölfe, je älter sie wurden, fast nie als die zahmen Schoßhündchen erwiesen, die ihre reichen Besitzer:innen glaubten bekommen zu haben. Irgendwann bissen die Wölfe in Gegenstände oder gar Körperteile, was zum Teil schwere Verletzungen nach sich zog. Doch wohin jetzt mit den Wildtieren? Ängstliche Diener:innen verpackten sie wie Pakete und schickten sie an Wildwolfer:innen, die ihnen das Jagen, Kämpfen ebenso wie das Misstrauen gegenüber Menschen erst wieder beibringen mussten, um sie auswildern zu können.
Feo und ihre Mutter gehören zu diesen Wildwolfer:innen und sie lieben diese Arbeit.
Ihre Mutter meinte, sie habe jaulen können, bevor sie das Sprechen gelernt habe. Sie hatte die Wölfe von Anfang an verstanden.
(S. 23)
Diese innige Beziehung zwischen Feo und den Wölfen – insbesondere den drei, die sie begleiten: Graupelz, Schwarzpelz und Weißpelz – durchzieht das Buch als roter Faden und steht den beeindruckenden Schilderungen von Jean Craighead Georges in dem Klassiker „Julie von den Wölfen”, an die dieses Buch erinnert, in nichts nach.
Katherine Rundell schafft mit der wilden, ungestümen Feo, die nicht nur für die Wölfe ein großes Herz hat, sondern auch mutig, ehrlich und voller Selbstbewusstsein ist, eine unvergessliche Kinderheldin. Was wie ein russisches Volksmärchen beginnt (und endet):
Vor langer, langer Zeit, es ist bald hundert Jahre her …
(S. 11)
ist ein gelungener Genremix aus historischem Roman, Abenteuer- und Tiergeschichte, der spannend, zeitlos und sehr respektvoll gegenüber der Tier- und Pflanzenwelt erzählt ist. Katherine Rundell benutzt eine klare, sinnliche und bildhafte Sprache, der Text ist voller Wortwitz und spritziger Dialoge. Die Kälte des russischen Winters kriecht einem beim Lesen in die Glieder, der Rauch des Feuers brennt in der Nase und in den Augen, die Wälder erwachen zum Leben, was auch der fabelhaften Übersetzung von Henning Ahrens zu verdanken ist.
Spannung baut Katherine Rundell mit dem Auftreten des jähzornigen Generals Rakow von Anfang an auf. Unerwartet erscheinen er und seine Soldaten in der Hütte, beschimpfen und bedrohen Feo und ihre Mutter und fordern sie auf, das Auswildern zu beenden. Feo solle ihre Wölfe töten. Aber das würde sie nie und nimmer tun! Deshalb ignorieren sie und ihre Mutter den Befehl. Das kann der jähzornige Rakow natürlich nicht auf sich sitzen lassen und so kommt er mit seinen Soldaten zurück, zündet die Blockhütte an und verschleppt Feos Mutter ins Gefängnis nach Sankt Petersburg.
Zum Glück gelingt Feo die Flucht. Der General jagt sie, aber listig, wie sie ist, kann sie ihm ein ums andere Mal entkommen. Unterstützung erhält sie dabei nicht nur von ihrem kleinen Wolfsrudel, sondern auch von dem desertierten Soldaten Ilja, der viel lieber Balletttänzer als Soldat wäre, und dem kommunistischen Agitator Alexej, der die beiden in einem Eissturm rettet.
Wenn die drei am Ende mit einer Kinderschar und zahlreichen Dorfbewohner:innen in St. Petersburg einmarschieren, um Feos Mutter zu retten, dann wirkt dies beinahe märchenhaft. Dennoch sind diese Szenen sowohl vor der Kulisse der beginnenden russischen Revolution als auch im Hinblick auf das Elend, in dem die meisten Menschen lebten, sehr stimmig.
Für wen empfehle ich dieses Buch?
Für alle ab 11 Jahren, die beeindruckende Tiergeschichten, Spannung und historische Abenteuerromane mögen.
(Heinke Ubben, 29.10.2024)
Rezensiert wurde:
Katherine Rundell
Feo und die Wölfe
Übersetzung: Henning Ahrens
Carlsen
Hamburg 2020
ISBN: 978-3-551–31939-5
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