[Rezension]
„Meine Mutter starb diesen Sommer.”
Mit diesem furiosen Satz beginnt (und endet) Elena Fischers Debüt „Paradise Garden”, das mir noch lange nach dem Lesen im Gedächtnis geblieben ist. Elena Fischers Sprache ist bildgewaltig, ihre Charaktere sind unvergesslich.
Worum geht es?
Die 14-jährige Billie und ihre Mutter leben in einer Hochhaussiedlung. Oft reicht das Geld nicht bis zum Monatsende, doch Billies Mutter ist eine unerschütterliche Optimistin und Überlebenskünstlerin.
Eines Tages gewinnen die beiden ein Preisgeld bei einem Quiz im Radio. Und auf einmal ist nicht der Eisbecher, der „Paradise Garden”, den die beiden sich ab und an zu Monatsanfang gönnen, das Highlight, sondern die Hoffnung auf einen gemeinsamen Urlaub in Frankreich.
Da kündigt sich die unbekannte Großmutter aus Ungarn an. Sie ist krank und muss sich in Deutschland kurieren.
Das Herz meiner Mutter war zu weich. Sie gab dem Obdachlosen vor dem Discounter immer den Euro, der in unserem Einkaufswagen steckte, obwohl er sie nicht danach gefragt hatte. (…) Und sie schloss meiner Großmutter die Tür auf, obwohl manche Türen besser geschlossen bleiben sollten. In dem Moment, in dem meine Großmutter unsere Wohnung betrat, hielt ich die Luft an und atmete nicht wieder aus.
(S. 67)
Die Großmutter vergiftet das Leben in der kleinen Wohnung. Und als dann noch Billies Mutter stirbt und ihre Freundschaft mit Lea, in deren Familie sie sich lange zu Hause gefühlt hat, zerbricht, macht Billie sich auf die Suche nach ihrem Vater, von dem ihre Mutter nie gesprochen hat. Ein Foto, das ein Stück von dem Grundstück zeigt, auf dem er wohnen könnte, ist ihr einziger Anhaltspunkt. Damit beginnt ein Roadtrip, der sie auf eine Nordsee-Insel führt.
„Paradise Garden“ schildert eine eindrückliche Familiengeschichte und eine ergreifende Suche nach den Wurzeln der eigenen Identität.
Mich fasziniert, wie es Elena Fischer gelingt, so schwere Themen wie Verlust und Trauer mit Humor und Leichtigkeit zu gestalten.
(Heinke Ubben, 9.12.2024)
Vorgestellt wurde:
Paradise Garden
Elena Fischer
Diogenes: Zürich 2023
ISBN: 978-3-257-07250-1
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