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Cover des Kinderbuchs "Irgendwo ist immer Süden" von Marianne Kaurin

Folgenreiche Notlüge(n)

In „Irgendwo ist immer Süden” von Marianne Kaurin geht es um die 11-jährige Ina. Sie möchte unbedingt dazugehören. Einmal in den Süden fahren, so wie alle anderen in ihrer Klasse – das wäre was! Doch daran ist nicht zu denken, denn ihre alleinziehende Mutter ist arbeitslos und leidet außerdem unter Depressionen. Ina schämt sich für ihre Armut genauso wie für den Tyllebakken, die Sozialsiedlung, in der sie leben.

Am ersten Tag in der neuen Klasse machte ich einen Fehler. Vigdis (die Lehrerin) bat mich zu erzählen, wie ich heiße, wo ich wohne und was meine Hobbys sind. Also sagte ich meinen Namen und übersprang die Frage nach den Hobbys, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Stattdessen erzählte ich, ich sei in den Trostevejen 30 gezogen, und jemand aus meiner Klasse, ich glaube, es war Regine, fragte, ob das nicht zu Tyllebakken gehöre. Ich sagte Ja. Weil ich es nicht besser wusste. (…) Mehrere in meiner Klasse kicherten, und dann hörte ich es. Zum allerersten Mal. Den Spitznamen meines neuen Zuhauses. Güllebakken.

(S. 59f.)

Freund:innen hat Ina in dem Jahr, in dem sie und ihre Mutter im Tyllebakken wohnen, nicht gefunden. Dabei wäre das ihr größter Wunsch! Aber wie soll sie zu Geburtstagsfeiern gehen, wenn das Geld nicht einmal für ein Geschenk reicht?

Anders als in anderen Büchern zeichnet Marianne Kaurin keine Sozialromantik. Geld und Urlaub sind in Inas Klasse die Voraussetzung, um dazuzugehören.

Im Tyllebakken wohnt keine:r außer ihr – bis am letzten Tag vor den Sommerferien ein Neuer, Vilmer, auftaucht, den Ina wegen seiner ärmlichen Kleidung zunächst gnadenlos ignoriert.

Als am letzten Schultag alle von den vor ihnen liegenden Urlauben zu schwärmen beginnen, fühlt sich Ina so unter Druck gesetzt, dass sie lügt und eine Urlaubsreise in den Süden erfindet.

Damit die anderen ihre Lüge nicht durchschauen, verbarrikadiert sie sich die nächsten Tage in ihrem Zimmer – bis Vilmer sie eines Abends am Fenster entdeckt und aus dem Haus lockt.

Es ist toll beschrieben, wie sich die beiden nach und nach näherkommen und sich in der leer stehenden Hausmeisterwohnung ein Paradies im Süden errichten.

Aber natürlich haben Inas Klassenkamerad:innen ihre Lügen längst durchschaut. Die Fotos, die Ina postet, erkennen sie sofort als Fake. Vor allem Mathilde und Regine setzen Ina extrem zu.

Als die beiden dann unverhofft im Tyllebakken auftauchen, schämt Ina sich so sehr, dass sie einen fürchterlichen Verrat begeht, den sie (beinahe) nicht wiedergutmachen kann.

Ein großartiges Buch, das genauso ernsthaft wie unterhaltsam ist und das zeigt, dass echte Freundschaft zum Leben unbedingt dazugehört!

(Heinke Ubben, 19.12.2024)

Vorgestellt wurde:
Irgendwo ist immer Süden
Marianne Kaurin
Cover-Illustration: Friederike Ablang
Übersetzung: Franziska Hüther
Woow Books: Zürich 2021, 4. Aufl.
ISBN: 978-3-96177-050-2

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